Zur Bedeutung des Raums im Coaching

In gschützten Räumen fühlt man sich wohl und sicher - und ein wenig verzaubert
Meditationsraum im LebensGut Pommritz beim Symposium Bildung & Bewusstsein 2019 (Fotograf: Bert Herden)

Im Idealfall fühlen sich alle Beteiligten eines Coaching-Prozesses im Arbeitsraum wohl und sicher.

Dabei geht es aber nicht nur um die Temperatur, die Lichtverhältnisse oder die störungsfreie Skype-Verbindung sondern auch – und im Coaching vor allem – um die Beziehung zwischen den Menschen.

Denn ein Raum ist auch das, was zwischen zwei oder mehr Menschen entsteht, wenn sie sich begegnen und in Kontakt zueinander gehen. Auch dieser Raum hat Dimensionen, ganz wie ein physischer.

Begriff „geschützter Raum“

Ursprung

Der Begriff „geschützter Raum“ kommt aus der Psychologie. Dort bezeichnet er die (idealerweise) vertrauensvolle Beziehung zwischen Therapeut und Patient. 

Bedeutung

Klare äußere Rahmenbedingungen (z.B. Zeiteinteilung, Schweigepflicht, Informationen zur therapeutischen Methodik) und die akzeptierende Grundhaltung des Therapeuten sollen ermöglichen, dass der Patient sich so sicher und wohl fühlt, dass er seine Gedanken und Gefühle frei äußern kann.

Mittlerweile ist der geschützte Raum neben der Therapie auch essentiell für die Arbeit in der Pädagogik, der Konfliktbegleitung (Mediation), der gewaltfreien Kommunikation nach M. Rosenberg und natürlich dem Coaching.

Der geschützte Raum im Coaching

Neben seiner Bedeutung für zwischenmenschliche Themen ist die Etablierung eines geschützten Raumes auch im Einzelcoaching die wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung von nachhaltigen Lösungsansätzen.

Grundbedingungen eines geschützten Raumes

Die Grundbedingungen, die zur Erschaffung eines geschützten Gesprächsraumes notwendig sind, sind  Bestandteil jedes guten Coachings. Im Folgenden eine kurze Zusammenstellung der wesentlichen Punkte:

1. Authentizität

Die grundlegendste Basis für einen gelungenen Coaching-Prozess  ist die direkte, persönliche Begegnung zwischen Coach und Klient*in (vgl. ROGERS 2014). Der Coach zeigt sich daher in der Beziehung zum Klienten so, wie er ist, also ohne eine Fassade von kühler Professionalität oder übermäßigem Mitgefühl.

2. Vertraulichkeit

Im geschützten Gesprächsraum während des Coachings gilt die sog. Mundfreiheit, alles darf gesagt werden. Nach Ende der Sitzung wahrt der Coach Stillschweigen über das Gesagte (vgl. Trossen).

3. Klarheit

Der Coach informiert den Klienten über den Ablauf, die Bedingungen und die zu erwartenden Ergebnisse des Coachings. Die Rollen von Klient*in und Coach sind klar definiert und es wird dazu eine Vereinbarung (Coaching-Vertrag) getroffen.

4. Wertschätzung und Empathie

Der Coach begegnet dem Klienten respektvoll und wertfrei. Der Coach bemüht sich, die Perspektive des Klienten einzunehmen und seine Weltsicht zu verstehen.

5. Achtsamkeit

Während des Coachings achtet der Coach darauf, die Bedingungen des geschützten Raumes aufrechtzuerhalten. Der Coach lädt den Klienten ein, im Prozess auf seine eigene Wahrnehmung (Gedanken, Gefühle etc.) zu vertrauen und sich davon leiten zu lassen.

Das Potential von geschützten Räumen

Wandlungsräume

Interessant ist, dass der geschützte Raum in der analytischen Psychologie mit zwei Symbolen in Verbindung gebracht wird, denen etwas Mystisches oder Wunderbares anhaftet  (MÜLLER & MÜLLER 2018).

Die erste Verbindung wird zum griechischen temenos hergestellt. Temenos bezeichnete einen besonderen, umgrenzten Ort, der oft Göttern geweiht war und an dem kultische, magische oder heilige Handlungen durchgeführt wurden. Häufig wurden an diesen Orten Tempel errichtet.

Das zweite Symbol in Verbindung mit dem geschützten Raum ist das vas hermeticum der Alchemisten. Dabei handelt es sich um ein luftdicht abgeschlossenes Gefäß, in dem sich der alchemistische Wandlungsprozess vollzieht (MÜLLER & MÜLLER 2018).

Geschützte Räume haben eine besondere Qualität.
Steinkreise sind ursprüngliche geschützte Räume, in denen Wandlungsprozesse stattfanden.

Selbstwahrnehmung

Tatsächlich wird auch ein Coaching-Prozess umso wirksamer, je sicherer sich der Klient im geschützten Coaching-Raum fühlt.

Zum einen erlebt der Klient oft eine Verbindung mit sich selbst auf Ebenen, die ihm im Alltag nicht (mehr) zugänglich sind (Gefühle, Emotionen, körperliche Empfindungen). Diese verstärkte Selbstwahrnehmung führt zu klarerer Selbsterkenntnis und hat nicht selten eine Signalwirkung. „Plötzlich“ ist klar, welche Optionen überhaupt in Frage kommen oder welche Entscheidung stimmig ist.

Selbsterprobung

Zum anderen erlaubt es die „besondere Realität“ (Mück) des geschützten Raumes, die erspürten/ entwickelten Fantasien oder Optionen durchzuspielen, ohne dass man befürchten muss, dass sich daraus reale Konsequenzen ergeben. In Ruhe und mit Distanz kann erforscht werden, was sich hinter den Gedanken an weiteren Gedanken, Gefühlen oder auch Wünschen verbirgt (Mück).

Fazit

Summa summarum führt die Arbeit im geschützten Coaching-Raum dazu, dass der Klient sein Selbstverständnis aktualisiert. In der Folge können beschränkende Muster durchbrochen, verborgene Ressourcen aktiviert und erste Schritte in Richtung einer Problem-Lösung gegangen werden. 

Aus dem geschützten Raum heraus Schritte in die Zukunft machen.

Quellen

Mück, Herbert: Geschützte Mitteilungen. Gespräche im geschützten Raum. Online verfügbar unter http://www.dr-mueck.de/HM_Kommunikation/Geschuetzte-Mitteilungen-Kommunikation.htm

Müller, Anette; Müller, Lutz (2018): Praxis der Analytischen Psychologie. Ein Lehrbuch für eine integrative Psychotherapie. 1. Auflage. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer (Psychotherapie).

Rogers, Carl R. (2014): Die nicht-direktive Beratung. Ungekürzte Ausgabe, 14. Auflage. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch (Fischer-Taschenbücher, 42176).

Wiki to Yes (2017): Trossen „Geschützter Raum“. Unter Mitarbeit von Arthur Trossen. Online verfügbar unter https://www.wiki-to-yes.org/Gesch%C3%BCtzter_Raum

Lichtsprung_Ansatz_GeschRaum Kopie.jpg
Category
Tags

Comments are closed